(06.12.2018)
Die Beschlüsse zum Mobility Package 1 sind aus Sicht des LBS bei den Lenk- und Ruhezeiten vom Grundsatz her positiv zu sehen: Stillstand ist vermieden, die Chancen auf einheitliche Regeln sind gewachsen. Bei der Anwendung des Ent-senderechts und in Sachen „smart tachograph“ gibt es jedoch größere Kritikpunkte.
Der Beschluss im EU-Verkehrsministerrat, bei den Lenk- und Ruhezeiten von Lkw-Fahrern europaweit verbindlich höhere Standards zu setzen, ist aus Sicht des LBS – Landesverband Bayerischer Spediteure e.V. ein wichtiger Schritt zu fairen und einheitlichen Wettbewerbsbedingungen. „Vor allem die regelmäßige Wochenruhezeit außerhalb des Fahrzeugs entspricht unserer nationalen Regelung in Deutschland sowie dem einschlägigen EUGH-Urteil. Das schafft wenigstens in der Theorie einheitliche Voraussetzungen“, erklärt LBS-Geschäftsführerin Sabine Lehmann.
Gleichzeitig ist aber nicht davon die Rede, was zunächst einige Medien fälschlicherweise aus dem Beschluss herauslasen: Ein generelles Verbot von Übernachtungen in der Fahrerkabine. Lehmann: „Das wird es nicht geben. Bei den typischen Nachtruhen sowie während der verkürzten Ruhezeit wird auch weiterhin die Nutzung der Schlafmöglichkeiten im Fahrzeug erlaubt sein, wie sie seit Jahrzehnten in der Branche genutzt werden.“
Vielmehr wird mit den gleichzeitig beschlossenen weiteren Regelungen ein wichtiger Schritt zu EU-weit einheitlichen Standards bei Sicherheit und Attraktivität von Arbeitsplätzen getan: Dass zwei verkürzte Wochenruhezeiten in Folge möglich sind und Fahrer dann alle drei Wochen nach Hause zurückkehren müssen bzw. bei einem Wechsel zwischen verkürzter und normaler Ruhezeit alle vier Wochen.
Abzuwarten ist aus Sicht des LBS jetzt vor allem noch, ob im obligatorischen „Tri-log“ zwischen Rat, Europäischem Parlament und EU-Kommission die Vorschläge der Verkehrsminister akzeptiert und ohne substantielle Veränderungen verabschiedet werden.
Die seitens des Verkehrsministerrats verkündete Zuversicht, dass sich die Situation an überfüllten Autobahn-Rastplätzen entschärfen wird, wenn Arbeitgeber verpflichtet sind, Unterkünfte für ihre Fahrer zu stellen, teilt der LBS kurz- und mittelfristig allerdings nicht: „Weder ist in unmittelbarer Nähe der Rastplätze eine Übernachtungs-Infrastruktur vorhanden noch erkennen wir eine große Bereitschaft bei Anrainergemeinden, die Wochenend-Gäste inklusive ihrer Lkws großzügig willkommen zu heißen“, kommentiert Lehmann. „Mit dem Verbot der Wochenruhezeit in der Fahrerkabine allein ist noch kein einziger Schlafplatz geschaffen.“
Das auf diesem Weg adressierte Problem betrifft aus Sicht des LBS einheimische Unternehmen und Fahrer nur in geringem Umfang. Dazu trägt aus Lehmanns Sicht nicht nur bei, dass in Deutschland schon entsprechende Regeln gelten: „Im Zuge ihrer Sozialverantwortung und zur höheren Arbeitgeberattraktivität in einem Beruf mit absehbarem Fachkräftemangel investieren unsere Firmen schon ausgiebig in gute Lösungen für die Wochenruhezeiten. Sie haben ihre Prozesse, nicht zuletzt mit Hilfe digitaler Instrumente, so strukturiert, dass solch lange Unterwegszeiten gar nicht mehr stattfinden.“
Der LBS weist gleichzeitig darauf hin, dass das Ruhezeiten-Thema nur einer von mehreren Aspekten aus dem EU-Mobility Package 1 sind, die der Speditions- und Logistikbranche Veränderungen bescheren. „Grundsätzlich ist es positiv zu bewerten, dass sich die Minister überhaupt auf einen Kompromiss geeinigt haben und das Package damit vor dem Scheitern oder einer weiteren Vertagung bewahrt haben“, so Lehmann. Das jetzt auf den Weg gebrachte „Spezialgesetz“, das den Spagat zwischen den Interessen zweier Ländergruppen (West- und Osteuropa) vollziehen soll, liefert aber in einem komplexen Sachverhalt „allenfalls Ansätze zur Lösung dringend klärungsbedürftiger Sachverhalte“.
Bei zwei Aspekten ist der vorgeschlagene Weg aus Sicht des LBS vom Grundsatz her akzeptabel: Kabotageverkehre, also Transporte innerhalb eines Landes durch ausländische Unternehmen, sollen dem Entsenderecht unterliegen, Transitfahrten aber nicht. Mit diesem Ansatz werde einem wettbewerbsverzerrenden Lohn- und Sozialdumping nachdrücklich entgegengewirkt, weil dann bisher auffällige Unternehmen, vor allem aus Osteuropa, zur Zahlung von Mindestlohn verpflichtet sind. Einen weiteren Aspekt betrachtet der LBS kritisch: „Was die Verkehrsminister aber für grenzüberschreitende Transporte vorsehen, ist nach unserer Einschätzung eher nicht praxistauglich. Hier wird den besonderen Umständen und Vorausset-zungen der Logistikbranche zu wenig Rechnung getragen. Schlichte Anpassungen von Regeln, die für andere Wirtschaftszweige geschaffen wurden, sind hier wenig zielführend.“
Beispiel: Wenn für Transportunternehmen, die so genannte ,bilaterale Transporte' zwischen dem Land ihres Unternehmenssitzes und einem weiteren EU-Mitgliedstaat durchführen und die während einer Tour unterwegs nicht mehr als zwei Sendungen be- oder entladen, das Entsenderecht im Ausland nicht gelten soll, für alle anderen grenzüberschreitenden Transporte aber schon, komme es zu einem extremen Mehr an bürokratischem Aufwand, dem kein Mehrwert gegenüberstehe. Ein echter Nutzen für die Fahrer – auf deren Vergütung sich das Ent-senderecht direkt auswirkt – sei zudem von der Kontrolldichte und -effizienz der Überwachungsbehörden abhängig, die derzeit für diesen Zweck nicht ausreiche.
Der von den Verkehrsministern favorisierte „smarte Tachograph“ spielt aus Sicht des LBS in diesem Zusammenhang bisher keine belastbare Rolle. „Die Frage ist zum einen, ob die gewünschte Technik bis zum Stichtag 2024 überhaupt verfügbar und verlässlich einsetzbar – und ob sie zum anderen zur Überwachung von Kabotage überhaupt geeignet ist“, merkt Lehmann an. „Nach derzeitigem Stand ist fraglich, ob sich damit Be- und Entladungen lückenlos erfassen lassen.“